Samstag, 27. Januar 2018
Bruchstück XV
Der Weg zur Polizeistation war weit und Andrej hatte nicht nur einmal darüber nachgedacht. Da der Mann jedoch nicht reiten konnte, verwarf er diesen Einfall immer wieder. Schließlich kam er aber an dem Gebäude an, dass selbst zu dieser späten Stunde noch hell erleuchtet war. Er hatte unterwegs befürchtet, dass es schon zu spät war. So band er aber das Pferd vor der Tür der Station an, wartete bis sich der Hund daneben setzte und scheinbar wirklich brav warten wollte und betrat das Gebäude. Darin wurde er wie neulich schon von einer Empfangsdame begrüßt. Diese war dieses Mal jedoch keine Dame, sondern ein älterer Herr, der ihn mit einer Mischung aus Müdigkeit und Desinteresse anschaute.

"Ähm, hallo", sprach Andrej ihn an, als er keinerlei Reaktion von sich gab. Zumindest hob der Mann darauf seinen Kopf etwas, um ihm so zu signalisieren, dass er ihm zuhörte. "Ich bin eben diesem dunklen Reiter begegnet. Sie haben sicherlich schon von ihm gehört." Wieder keine Reaktion, was den Blondhaarigen nun doch etwas ärgerte. "Ich habe ihn gefangen und hergebracht." Danach schaute er den anderen schweigend an, während er auf irgendeine Reaktion wartete.

"Sie haben ihn angegriffen?" Diese Frage irritierte den jungen Mann nun doch etwas.

"Nein! Ich habe ihm nichts getan, er hat sich eher... selbst ergeben." Etwas Freude oder Neugierde des Beamten war wohl zu viel verlangt.

"Na gut, ich werde jemanden rausschicken." Und damit sank sein Blick erst einmal wieder auf die Unterlagen, die der Mann offenbar vor sich liegen hatte.

"Tun sie das." Andrej drehte sich auf der Stelle um und ging wieder nach draußen. Er sollte wohl froh sein, dass sich um die Zeit überhaupt noch jemand um sien Anliegen kümmerte. Bis jemand kam wartete er lieber draußen und passte darauf auf, das die Tier nicht abhanden kamen. Denn irgendwem mussten sie ja gehören. Als er das Gebäude verließ, stand das Pferd immer noch dort, wo er es angebunden hatte. Von dem Hund widerrum war nichts mehr zu sehen. Er schaute sich etwas in der näheren Umgebung um, doch von dem großen Tier war nichts zu sehen. Aber auch nichts von einem anderen Menschen. Schnell gab der junge Mann es auf, nach dem Tier zu suchen. Wichtig war, dass er das Pferd und vor allem die Puppe darauf hatte. Die Sache mit dem wolfsähnlichen Hund zu erklären hätte nur alles noch komplizierter gemacht. Er war sich nicht einmal sicher, ob sie ihn für voll nehmen würden, obwohl die Sache mit dem Reiter bekannt war. Nicht nur die Zeitungen schrieben darüber. Vor kurzem hatte er immerhin selbst mit Oskar eine Anzeige deswegen augegeben. Nach einer kurzen Ewigkeit, die er neben dem Pferd an die Hauswand gelehnt verbracht hatte, öffnete sich die Tür der Polizeistation und ein kleiner, erstaunlich molliger Mann, der nicht viel älter als Andrej aussah kam heraus. Sein brünettes Haar war nicht das einzige, das an Oskar erinnerte. Auch seine Augen waren von einer goldenen Farbe. Diese musterten erst interessiert Andrej und dann das Pferd neben ihm.

"Das soll also der furchtverbreitende Reiter sein?" Er hielt sich mit keiner Begrüßung oder Vorstellung auf und ging stattdessen sofort auf das große Tier neben dem Blondhaarigen zu. "Was ist das denn?" Das Bündel auf dem Rücken der Stute lag etwas im Schatten, so dass der Polizist näher treten musste.

"Der Reiter", erklärte Andrej kurz. Scheinbar waren die Mitarbeiter heute alle etwas eigen. Er wollte das hier einfach schnell hinter sich bringen. Sein Hoffen darauf löste sich aber sogleich in eine düstere Vorahnung auf, als der kleine Mann plötzlich erschrocken aufkeuchte und eine Hand vor seinen Mund hob.

"Was haben Sie mit ihm gemacht? Er stirbt!" Ungläubig starrte Andrej ihn an, so dass er die ersten Sekunden auf diese Aussage nicht reagieren konnte.

"Was? Das ist eine Puppe." Trotzdem trat er neben den Mann, um sie sich noch einmal anzuschauen und somit sicher zu gehen.

"Aber das ist doch Blut." Trotz der Panik die dieser Kerl schob, versuchte Andrej ruhig zu bleiben. Immerhin war er sich sicher, dass es sich dabei nur um eine Puppe handelte. Und auch als er sie erneut genauer musterte, konnte er beim besten Willen nichts menschliches an ihr Entdecken. Da der Polizist sich jedoch nicht beruhigte, hob er sie kurzerhand von dem Pferd herunter.

"Nur eine Puppe, sehen Sie?" Langsam kam er sich hier wirklich verarscht vor. Nun, da die Puppe auf dem Boden im Licht der hellen Lampe lag, schien sich auch der andere langsam zu beruhigen.

"Oh ja... Sie haben Recht." Ungläubig und etwas verständnislos schaute Andrej ihn an. "Da haben Sie ja noch mal Glück gehabt." Nach diesen seltsamen Worten schaute er Andrej einfach nur an, so dass dieser langsam doch unruhig wurde. War es das gewesen? Wollte er nichts mehr wissen? Dieser Kerl war fast noch unheimlicher, als dieser Reiter es vorhin noch gewesen war.

"Kann ich dann gehen?", fragte er daher vorsichtig nach.

"Äh nein, also... Sie müssten noch einige Fragen beantworten." Innerlich verdrehte Andrej seine Augen, das war ja ganz toll.

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Samstag, 20. Januar 2018
Bruchstück XIV
Problemlos hätte er den Wolf treffen können, doch Andrej schreckte vor den scharfen Zähnen immer wieder zurück. Wenn er so nah an das Tier herankam, um es schlagen zu können, gab er ihm damit eine gute Gelegenheit, selbst zuzubeißen. Dieses Risiko wollte der Mann nicht eingehen. Allerdings ließ sich sein Gegner nicht von seinen Drohgebärden einschüchtern, so dass er sich etwas einfallen lassen musste. Die Gestalt auf dem Pferd schaute währenddessen nur regungslos zu. Durch den kurzen Blick, den Andrej ihr zugeworfen hatte, war er soweit abgelenkt gewesen, dass er nicht mehr schnell genug ausweichen konnte und von dem schwerem Körper getroffen wurde. Er fiel auf den kalten Boden, von dem er sich schnell wieder aufrichtete. Jedoch nicht schnell genug, da keine Sekunde später das schwarze Tier über ihm stand. Dieser Anblick genügte aus, um den Körper des Mannes mit derart viel Adrenalin zu durchfluten, dass er ohne weiter darüber nachzudenken aufsprang und auf das Pferd zustürmte. Überraschenderweise kam er tatsächlich bei dem großen Tier an, dass sofort zurückscheute und aufstieg. Das hinderte Andrej jedoch nicht daran, nach dem Bein des Reiters zu greifen und ordentlich daran zu ziehen. Wieder wurde er überrascht, als der Unbekannte fast widerstandslos zur Seite kippte und auf den Boden schlug. Noch immer wanden sich seine Beine um das Pferd, nun jedoch aber um den Bauch anstatt um den Rücken.

"Was zur..." Ungläubig schaute er dem leblosen Körper dabei zu, wie er von dem Pferd vergeblich versucht wurde, abzustreifen. "Bleib stehen", versuchte er das Pferd mit erhobenen Händen zu beruhigen. Ehe ihm das aber richtig gelang, wurde er wieder an das Raubtier hinter ihm erinnert. Knurrend sprang es ihn an, was ihn erneut zu Boden warf. "Verdammt!", fluchte er. "Was bist du? Ruf gefälligst deinen Hund zurück." Dass er von dem leblosen Körper keine Antwort erwarten konnte, interessierte Andrej gerade herzlich wenig. Diese ganze Situation war einfach nur krank. "Was ist? Hats dir die Sprache verschlagen?" Seltsamerweise drohte ihm der Wolf zwar, angreifen tat er jedoch nicht weiter. "Na warte." Diese letzten Worte murmelte er leise, während er in seine Hosentasche griff und dort tatsächlich etwas fand, was ihm nun von Nutzen sein konnte. Zum Vorschein kam ein alter Keks, den er dort wohl vergessen hatte. Schnell befreite er ihn von seiner Plastikverpackung. Alleine dieses Geräusch zog die Aufmerksamkeit des schwarzen Tieres auf ihn. Verlockend wedelte er mit dem Leckerbissen vor der Schnauze des Wolfes herum. "Na was ist? Magst du den haben?" Langsam setzte er sich auf, wobei ihn die gelben Augen des Tieres genauestens im Blick behielten. "Lass uns Freunde sein, okay? Dann bekommst du diesen Keks." Weiterhin versuchte er ihn zu locken, wobei sich der Blondhaarige nicht sicher war, ob es auch tatsächlich funktionierte. Trotzdem hielt er dem Wolf schließlich den Keks näher hin. Sofort schnappte er nach ihm und nahm ihn überraschend sanft aus Andrejs Hand. "Ein Feiner bist du." Mit einem Mal wirkte das Tier nicht mehr ansatzweise so bedrohlich. Der Mann wagte es sogar, kurz den Kopf des Tieres zu berühren. Unter einem leisen Fiepsen legte es seine Ohren an und drückte seinen Kopf noch etwas weiter gegen die Hand. "Na so was, du bist ja zahm." Wer hätte es gedacht. Erneut wandte er sich an den leblosen Körper, der nach wie vor an dem mittlerweile wieder ruhigen Pferd hing. Nach einem kurzen Zögern ging er erneut auf es zu. Dieses Mal ließ der Wolf es geschehen, schaute aber dennoch aufmerksam dem Jungen hinterher. "Du verarschst also Leute, ja?" Nicht allzu aggressiv, um ein erneutes Scheuen der Stute zu verhindern, trat er an sie heran und zerrte dann an der vermeintlichen Person. Wie erwartet war es nur eine Puppe, die mit einem Seil an dem Pferd festgemacht geworden war. Da es sich hierbei offensichtlich um einen Scherz handelte, ging Andrej davon aus, dass er beobachtet wurde. "Wirklich sehr lustig! Aber ich werde dich finden, und dann hat es sich ausgelacht!" Obwohl seine Worte an heimliche Zuhörer gerichtet waren, schrie er weiterhin die Puppe an, die er genervt von dem Pferd löste. Danach legte er sie über den Pferderücken, schnappte sich dessen Zügel und machte sich mit dem Hund im Schlepptau auf den Weg zur Polizei. Dabei war er mehr als aufmerksam, da er jeden Moment damit rechnete, dass ihn jemand aus dem Dunkel heraus ansprang. Während seines Weges schweiften die Gedanken des Mannes etwas ab. "Wie hast du das eigentlich mit dem Schnee gemacht?" Wieder wandte er sich an die Puppe. Natürlich hätte das auch nur ein billiger Effekt sein können, doch die Kälte hatten sie dennoch gespürt. Wie erwartet antwortete die Attrappe nicht. "Du gehörst wohl zu den Schweigsameren, oder?" Es dauerte einige Sekunden, ehe sich der Blondhaarige fragte, was er hier eigentlich machte. Ein Gespräch mit einem der beiden Tiere würde sicher zu mehr Erfolg führen. Andrej schob es kurzerhand auf seine Nervosität.

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Mittwoch, 17. Januar 2018
Bruchstück XIII
Vielleicht wäre es nicht so weit gekommen, wenn Andrej etwas aufmerksamer gewesen wäre. So kam es aber, dass er nur zwei Straßen von seiner Wohnung entfernt an einer stark flackernden Straßenlaterne ankam. Das war der Moment, als er sich das erste Mal auf seinem Nachhauseweg umschaute. Fast augenblicklich gefror ihm das Blut in den Adern. Hinter ihm bedeckte eine feine weiße Schicht den Asphalt. Zudem glaubte er einen großen Schatten sehen zu können. Sofort wollte er losrennen, denn diesen Schnee sah er nicht zum ersten Mal. Doch als er wieder nach vorne Blicke lag dort eine dunkle Straße. Alle Laternen schienen plötzlich ihre Aufgabe zu verweigern. Das Adrenalin, das sogleich durch seinen Körper schoss ließ ihn allerlei Dinge hören. Zum Beispiel schwere Schritte hinter ihm, die auf der feinen Schneeschicht leise knirschten. Und obwohl von vorne noch unheimlichere Geräusche zu hören waren, so rannte der junge Mann doch los. Immerhin wohnte er hier und kannte sich demnach etwas aus. Ehe er auch nur in die Nähe der klappernde Schritte vor ihm kam, bog er in eine Seitengasse ab, die zwar einen kleinen Umweg darstellte, ihn aber dennoch nach Hause führen würde. Dummerweise tauchte plötzlich ein großer Schatten vor ihm auf und versperrte ihm somit den weiteren Weg. Es war wieder der große, schwarze Wolf, der ihn mit gebleckten Zähnen alles andere als freundlich anknurrte. Vorsichtig machte Andrej ein paar Schritte rückwärts, ehe er sich umdrehte und wieder zurückrennen wollte. Kaum hatte er sich gedreht, erstarrte der junge Mann erneut. Vor ihm stand in nicht allzu weiter Entfernung ein Pferd mit verhülltem Reiter. Er saß in der Falle. Diese Feststellung ließ ihn schnell in die Offensive gehen. Mit kampfbereiter Haltung wandte er sich an den Fremden.

"Wer bist du? Was willst du von mir?" Auf seine lauten, erstaunlich ruhigen Worte gab es keine Reaktion. Das Pferd blieb lediglich stehen, als wollte der Fremde ihm nur Angst machen. "Lass mich in Ruhe!" Auch auf diesen Zuruf reagierte die Person nicht. Stattdessen war aber auf einmal ein lautes Grollen hinter ihm zu hören, was ihm wieder den Wolf in den Kopf rief. Aus Reflex sprang der Blondhaarige zur Seite und entging so nur knapp den scharfen Zähnen, die nun dort zuschnappten, wo er eben noch gestanden hatte. Dieses Tier hatte es eindeutig auf ihn abgesehen. "Zieh deinen Köter zurück!", forderte er den Fremden wütend auf, während er weiteren Angriffen auswich. Seine Angst hatte er mittlerweile komplett vergessen. "Ich habe dir nichts getan!" Als aber auch danach keine Reaktion kam, ging Andrej in den Angriff über. Etwas anderes blieb ihm in seinen Augen nicht übrig.

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Montag, 15. Januar 2018
Bruchstück XII
Mit zittrigen Finger kramte Benja den Haustürschlüssel hervor und versuchte aufzuschließen. Als ihr das auch nach einigen Anläufen nicht gelang, nahm Andrej ihr kurzerhand den Schlüssel ab und übernahm dies. Er schnappte sich das Päckchen und folgte dem Mädchen dann ins Innere des Hauses. Schnell waren sie in ihrem Zimmer im Erdgeschoss, von ihren Eltern war nichts zu sehen. Sie saßen einfach nur schweigend auf Benjas Bett, bis sie sich etwas beruhigt hatte.

"Also?", fragte Andrej vorsichtig, als bereits einige Sekunden kein Schluchzen mehr zu hören gewesen war. Fragend richtete das Mädchen seine verheulten Augen auf ihn. "Warum willst du gleich die Stadt verlassen? Passiert das öfter?" Nach kurzem Zögern schüttelte sie den Kopf.

"Aber ich kann mir denken, wer das war." Andrej schaute sie einfach nur an und wartete, bis sie von sich aus sprach. Er wollte sie keinesfalls unter Druck setzen. "Er war mein Freund... Bis vor wenigen Wochen. Dann hat er Schluss gemacht und jetzt will er sich rächen." Wieder war die junge Frau einem Gefühlsausbruch nah.

"Sich rächen?" Nun musste er doch eine Zwischenfrage stellen. Er konnte nicht verstehen, was Benja schlimmes getan haben sollte. Unsicher schaute sie ihn kurz an, ehe sie ihren Blick abwandte.

"Er denkt ich habe ihn verarscht."

"Und, hast du das?" Nach neuerlichem Zögern schüttelte sie dann leicht ihren Kopf. "Ist er ein Psycho oder was?" Anders konnte Andrej es sich nicht erklären, warum er dann Kinderbilder von dem Mädchen hatte und diese an es schickte. Am liebsten hätte er diese Bilder sofort genommen und zerrissen.

"Ich denke er ist wütend." Ihre Antwort ließ sehr viel Raum für eigene Interpretationen.

"Was ist denn passiert?", bohrte Andrej deshalb weiter. Benja schaute aber weg und machte auch nach einer kurzen Weile keine Anstalten zu antworten, weshalb es der Mann aufgab. Er wurde das Gefühl nicht los, dass ihm das Mädchen etwas verheimlichte. Er wollte sie aber zu nichts zwingen. "Na gut, du solltest ihn dann zumindest bei der Polizei anzeigen." Beinah erschrocken schaute sie ihn auf diese Worte an.

"Das kann ich doch nicht."

"Ich komm auch mit." Immerhin hatte er so eine Aktion gerade erst hinter sich und demnach Erfahrung. Doch Benja schüttelte entschieden mit ihrem Kopf.

"Na gut. Dann red zumindest mit deinen Eltern darüber." Auch dieser Vorschlag schien sie nicht sonderlich zu begeistern.

"Ja, mal schaun."

"Kann ich dich alleine lassen?", fragte er, nachdem sie einige Minuten einfach nur schweigend nebeneinander gesessen hatten. Eigentlich hatte er das Mädchen nur nach Hause bringen wollen. Er wollte hier eigentlich nicht die ganze Nacht verbringen, zumal er unter solchen Umständen nicht Benjas Eltern kennenlernen wollte.

"Ähm, ja. Ich denke schon. Danke dass du so lange hier geblieben bist."

"Ach was, war doch selbstverständlich", winkte er ab. "Wenn was ist, dann ruf doch einfach an." Auf seine Worte schaute Benja ihn mit großen Augen an. Ohne zu zögern schrieb er ihr seine Nummer auf einen Zettel. "Für Notfälle", lächelte er sie an. Danach verabschiedeten sie sich auch schon und Andrej machte sich auf den Heimweg. Durch diese ganze Sache hatte er zumindest den gruseligen Reiter vergessen, so dass er angstfrei durch die beleuchteten Straßen lief.

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Sonntag, 14. Januar 2018
Bruchstück XI
Als das Päckchen endlich offen war, schauten sie verwirrt auf einen großen Zettel, der im Inneren obenauf lag. Daneben schien die kleine Schachtel nicht sonderlich viel Inhalt zu haben. Sofort nahm Benja das Papier heraus und faltete es auf. Darauf standen in unordentlicher Handschrift einige Sätze, die Andrej jedoch nicht lesen konnte, da die Brünette ihm sofort die Sicht darauf verwehrte. Während Benja mit ungläubigem Blick las, nahm der junge Mann den restlichen Inhalt unter die Lupe. Neben zwei Fotos befand sich lediglich eine Schere in dem Päckchen, das dafür noch zu groß wirkte. Vorsichtig nahm Andrej die Fotos und begutachtete sie etwas genauer, was in den schlechten Lichtverhältnissen nicht mal so einfach war. Auf dem ersten Bild war Benja mit deutlich kürzeren Haaren zu sehen. Aber selbst diese Frisur stand dem Mädchen. Abgesehen von der Tatsache, dass es gruselig war, dass ein solches Bild in so einem Päckchen lag, fiel ihm jedoch nichts ungewöhnliches auf. Bei dem zweiten Foto hingegen geriet er kurz ins stutzen. Es war wieder Benja darauf zu sehen. Dieses Mal war sie deutlich jünger und ihr Oberkörper war frei. Ehe er genauere Details erkannte, ließ er die zwei Bilder wieder in den Karton fallen und griff stattdessen nach dem Brief, den das Mädchen nach wie vor in seinen Händen hielt. Verdutzt ob seiner Handlung schaute sie den Blondhaarigen an.

"Was ist das hier für eine Kacke", fluchte er leise und begann schnell den Text zu überfliegen.

'Wir wissen alles und haben genug Beweise gegen dich. Verschwinde aus dieser Stadt oder wir werden es allen sagen.' Geradezu erschrocken starrte er die wenigen Wörter an. Wurde sie etwa gestalkt? Auf jeden Fall war dieser Inhalt überaus unheimlich und in seinen Augen mehr als ernst zu nehmen. Doch ehe er sich über rechtliche Schritte Gedanken machen konnte, huschte sein Blick zu dem Mädchen, das reglos in das Päckchen starrte, wo die zwei Bilder lagen. Ihr Gesicht war ausdruckslos, doch er glaubte ein paar Tränen in ihren Augen sehen zu können. Sofort legte er auch den Brief weg und wandte sich Benja zu.

"Was ist das? Bekommst du das zum ersten Mal? Weißt du, von wem das sein könnte?" Die Fragen sprudelten geradezu aus ihm raus, da der junge Mann selbst sehr aufgebracht war. Auf seine Fragen bekam er als Antwort lediglich ein schwaches Kopfschütteln, ehe die Brünette in Tränen ausbrach. Sofort nahm er Benja in die Arme und drückte sie fest an sich. In diesem Augenblick fühlte sich Andrej selbst so hilflos, dass er nicht viel mehr machen konnte, als ihr beruhigend über den Rücken zu streichen.

"Kannst du mit mir die Stadt verlassen?" Ihre Frage presste Benja zwischen einigen Schluchzern hervor. Erschrocken schaute Andrej sie an.

"Überstürz jetzt doch nichts. Lass uns erst einmal reingehen." Noch immer fühlte der junge Mann sich überfordert. Doch wenn sich das Mädchen erst einmal beruhigt hatte, würden sie sicher eine Lösung finden, die besser war, als aus der Stadt zu fliehen. Zumal er sich so etwas nicht leisten konnte.

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