Donnerstag, 15. März 2018
Bruchstück XXVIII
Obwohl es Andrej wo anderes lieber gewesen wären, standen sie schließlich wieder vor Benjas Haus. Ohne ein Wort zu wechseln betraten sie das Gebäude und standen kurz darauf in Benjas Zimmer. Andrej fragte gar nicht erst, wo ihre Eltern waren, denn scheinbar waren sie sowieso nie zu Hause. Langsam fragte er sich sogar, ob es die überhaupt gab.

"Möchtest du etwas trinken?" Die überaus verlegen klingende Frage, riss den Mann aus seinen Gedanken.

"Äh nein, danke." Gerade war er wirklich nicht in der Stimmung, für irgedwelche Gastfreundschaften. Die Aktion von eben beschäftigte ihn noch viel zu sehr. Genau wie die Tatsache, was es mit den Aussagen der Jungs auf sich hatte. Sein fragender Blick ruhte ruhig auf dem Mädchen.

"Ich danke dir wirklich, dass du mich eben gerettet hast und ich kann verstehen, wenn du jetzt böse bist. Ich hätte es dir vermutlich früher sagen sollen, aber ich hatte... Angst. Ja, das trifft es wohl ganz gut." Obwohl Andrej damit gerechnet hatte, dass Benja bei diesen Worten deutlich zittriger klingen und auch eine Träne verdrücken würde, war sie nun auf einmal sehr sachlich und ernst. Allein dieses ungewohnte Verhlaten gefiel Andrej so gar nicht. Doch spätestens, als das vermeintliche Mädchen in einer schnellen Bewegung sein Shirt auszog und kurz darauf den dunklen BH, der zum Vorschein kam, schaute der Mann verlegen zur Seite.

"Okay, wer bist du und was hast du mit der echten Benja gemacht?" Seine nicht ganz so ernste Frage meinte Andrej keineswegs verletzend. Einzig die Tatsache, dass er bereits vermutet hatte, dass es sich bei dem Mädchen eigentlich um einen Jungen handelte, ließ ihn nun seinen Blick wieder auf ihn richten und seine Vermutung bestätigen. Wo hätten weibliche Rundungen sein sollen, waren lediglich die flachen Brüste eines Mannes zu sehen. Und Andrej war sich hundert prozentig sicher, dass Benja nicht einfach kleine Brüste hatte. Was ihn jedoch viel mehr aus dem Konzept brachte war die Tatsache, dass Benja sich mit einem Mal so vollkommen anders verhielt. Als wäre er ein komplett anderer Mensch und hätte nicht nur sein Geschlecht, sondern auch seinen Charakter vorgespielt.

"Das ist ernst", beschwerte sich der Junge auf seine Worte, wobei er Andrej geradewegs in die Augen schaute. Obwohl er den Blickkontakt nicht scheute, so konnte der Blondhaarige doch erkennen, dass er gerade mit einigen Zweifeln und Reue zu kämpfen hatte.

"Natürlich, tschuldigung. Ich hab mich nur gefragt, ob dein Charakter auch nur gespielt war." Andrej achtete darauf, dass in seinen Worten nicht einmal der Hauch eines Vorwurfs zu hören war. Denn trotz allem mochte er Benja immer noch und wollte ihm keineswegs ein noch schlechteres Gefühl verursachen.

"Wie kommst du jetzt darauf? Es ist ja wohl klar, dass ich gerade nicht so fröhlich wie sonst vielleicht sein kann."

"Ja, da hast du wohl Recht." Unentschlossen stand Andrej vor dem Jungen. Langsam wurde ihm die Situation doch etwas unangenehm.

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Donnerstag, 8. März 2018
Bruchstück XXVII
"Spinnt ihr jetzt vollkommen? Lasst sie gefälligst gehen!" Andrej ließ sich keinesfalls von den zwei Taschenmessern einschüchtern, die gerade auf ihn gerichtet waren. Auch wenn er diesen Jungs durchaus zutraute, dass sie diese Waffen auch einsetzen würden, konnte er Benja jetzt sicher nicht im Stich lassen. Seine Muskeln waren aufs Äußerste gespannt, um einen plötzlichen Angriff ausweichen zu können. Stattdessen schienen die Jungs mal wieder nur lieber zu reden.

"Sie, sie, sie." Das schaurige Lachen des schmächtigen Jungen vor ihn, ließ Andrej ihm nur einen bösen Blick zuwerfen. Was sollte das jetzt? "Hat SIE dir nicht die Wahrheit gesagt? Ist ja typisch, dass dieses Flittchen nur am Lügen ist."

"Eigentlich solltest du uns dankbar sein, dass wir dich warnen, ehe es zu spät ist." Sein genervter Blick wanderte zu dem Blondhaarigen.

"Ich weiß wirklich nicht, was euer Problem ist, aber lasst sie einfach gehen. Was ihr hier macht ist eine Straftat. Macht es nicht noch schlimmer." Doch wie erwartet, zeigten seine Worte nicht viel Wirkung.

"Hör du uns lieber zu." Auf einmal klang der brünette überaus ungeduldig. "Deine kleine Freundin ist keine sie sondern eine widerliche Schwuchtel." Auf diese Worte konnte der Mann nicht sofort reagieren, stattdessen schaute er den Jungen nur geschockt an. Es war nicht die Bedeutung der Worte, die ihn so aus der Bahn warf. Viel mehr konnte er nicht fassen, mit was für einer Ablehnung und Hass sie seinen Mund verließen. Allerdings ließen diese starke Emotionen ihn auch nicht daran zweifeln, dass diese Jungs ihm gerade eine Lüge auftischen wollten. Dieser Fakt war nun einmal aber nebensächlich, immerhin wurden sie nach wie vor von Messern bedroht.

"Lasst uns einfach gehen und ich sehe von einer Anzeige ab." Seine schwachen Versuche, aus dieser Situation herauszukommen, scheiterten wie erwartet.

"Bist du etwa auch so einer?" Der bullige Junge schaute ihn nun ebenfalls voller Hass an. "Eigentlich hätten wir dich verschont, wenn das aber so ist?" Und schon stürzte er auf Andrej zu, mit seinem Messer voran.

"Andrej!" Der unterdrückte Schrei Benjas wäre nicht nötig gewesen. Andrejs Anspannung hatte keineswegs nachgelassen, so dass er innerhalb eines Sekundenbruchteils ausgewichen war und den Jungen auch niedergestreckt hätte, wäre sein Kumpel nicht ebenfalls auf Andrej losgegangen. So kümmerte sich der Mann erst einmal um diesen Jungen. Mit einer schnellen Bewegung hatte er ihn entwaffnet und ihm seine Faust in den Magen gerammt, was den schmächtigen Jungen sogleich zu Boden gehen ließ. Sein Versuch den anderen Jungen ebenso schnell zu erledigen, blieb jedoch bei einem Versuch. Trotz seiner Statur reagierte er unglaublich schnell und hätte Andrej um ein Haar sogar mit seinem Messer angeschnitten. Wieder war ein Schrei Benjas zu hören, der dieses Mal jedoch kein Warnruf war, wie der Mann nach einem kurzen Blick feststellen musste. Das Mädchen hatte anscheinend einen Fluchtversuch gestartet, der dem Schwarzhaarigen, der sie festgehalten hatte, natürlich so gar nicht gefallen hatte. Doch ehe Andrej ihr helfen konnte, musste er sich erst einmal um den Jungen vor sich kümmern, der erneut versuchte, ihn zu verletzen. Und auch wenn der Blondhaarige nur für einen kurzen Augenblick zu Benja geschaut hatte, so war er doch abgelenkt gewesen. Dieses Mal gelang es ihm nicht, vollkommen auszuweichen. Mit einem schmerzenden Brennen bohrte sich die kurze Klinge in seinen Unterarm.

"Verdammt!" Die plötzliche Nähe verschaffte ihm jedoch die Möglichkeit, diesen Jungen ebenfalls schnell außer Gefecht zu setzen. Mit einem schnellen Tritt brachte er ihn zu Sturz und ließ es sich nicht nehmen, noch zweimal nachzutreten. Danach eilte er sogleich zu Benja. Als der Schwarzhaarige sah, was Andrej mit seinen Kumpels gemacht hatte, ergriff er ganz schnell die Flucht, noch ehe der Mann zum Angriff ansetzen konnte. Gerade wollte er die Verfolgung des Jungen aufnehmen, um ihn nicht ungeschoren davonkommen zu lassen, da wurde er von einem sanften aber dennoch bestimmenden Griff um seinen Arm aufgehalten.

"Lauf nicht weg." Obwohl Benja ihn flehend anschaute, sah war die Angst in ihren Augen unübersehbar. Er schaute dem Jungen hinterher, bis er aus der Gasse verschwunden war und wandte sich dem Mädchen dann ganz zu. Er hatte so etwas seit dem Fotofund bereits geahnt, doch nun schien er ja eine Bestätigung zu haben.

"Lass uns erst einmal von hier verschwinden", forderte er sie auf, packte sie am Arm und verließ mit ihr ebenfalls die Gasse. Sie hatten auf jeden Fall etwas zu besprechen.

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Montag, 5. März 2018
Bruchstück XXVI
"Sind diese Kerle immer so?" Sarina konnte es immer noch nicht fassen, dass es solche Menschen gab.

"Ja... schon." Seit der Begegnung mit den Jungs war Benja überaus ruhig, geradezu ängstlich.

"Das grenzt doch schon an Mobbing", stellte Oskar entrüstet fest. "Machen die Lehrer da nichts?" Die junge Frau schüttelte lediglich den Kopf, was Andrej bereits ahnen ließ, dass da einiges im argen lag.

"Zum Glück gehst du nicht mehr lange auf die Schule und bist diese Leute dann los", versuchte Sarina sie etwas aufzumuntern, was jedoch für das genaue Gegenteil sorgte. Die Augen des Mädchens füllten sich mit Tränen. Ehe eine dieser über ihre Wangen rollen konnte, rannte Benja davon.

"Benja!" Verdutzt schaute Andrej hinter ihr her, da er mit einem solchen Verhalten nicht gerechnet hatte.

"Was ist? Habe ich etwa etwas schlimmes gesagt?" Sarina war bereits drauf und dran der jungen Frau hinterher zu laufen, als Andrej sie aufhielt.

"Nein, hast du nicht. Da steckt sicher noch mehr dahinter."

"Du solltest mit ihr reden", forderte Oskar ihn auf.

"Warum denn ich?" Andrej konnte seine Verwunderung nicht vollkommen verbergen.

"Na, sie hängt doch so sehr an dir. Da wird sie mit dir sicher am liebsten reden", erklärte ihm die Frau. "Sag bloß nicht, dir ist das nicht aufgefallen." Da der Blondhaarige das sehr wohl wusste, seufzte er ergeben. Danach verabschiedete er sich von den anderen beiden und rannte Benja hinterher, ehe er ihre Fährte vollkommen verlor.

Es dauerte nicht lange, da war Benja bereits wieder in Sichtweite. Zum ersten Mal war Andrej wirklich froh über seine antrainierte Ausdauer. Gerade als er nach ihr rufen wollte, wurde sie jedoch in eine Seitengasse gezogen.

"HEY!" Sein wütender Schrei schien keinerlei Wirkung zu haben, da Benja nicht wieder aus der Gasse auftauchte. Noch schneller als zuvor rannte der junge Mann weiter, auf die Stelle zu, wo das Mädchen eben noch gestanden hatte. Trotz der angenehmen Luft brannten seine Lungen, als er dort ankam. Trotzdem zögerte er nicht in die düstere Gasse zu treten und sich sofort aufmerksam umzuschauen. Von der jungen Frau war weit und breit nichts zu sehen. "Benja? Bist du hier? Antworte doch!" Immer weiter folgte er der Straßel, ohne etwas von ihr zu sehen oder zu hören. Es handelte sich um eine Sackgasse, so dass Andrej irgendwann vor einer Mauer zum stehen kam. Ratlos drehte er sich um, rief immer wieder nach Benja und machte sich dabei auf den Rückweg. Dabei suchte er auch hinter dem ein oder anderen Container. Als er schließlich einen Blick hinter einen Haufen an Kisten warf, lief ihm ein Schauer durch den Körper. Er blickte geradewegs in die erschrocken aufgerissenen Augen Benjas, die unübersehlich von Tränen geziert waren. Das Messer an ihrer Kehle, das sie zum Schweigen veranlasste, entging ihm keineswegs. Es war ein Schimmer in ihren Augen, der Andrej urplötzlich herumwirbeln ließ, und ihn so vor einen Schlag auf den Hinterkopf bewahrte. Der schwere Holzschläger zerbrach an der Wand, die sich nun in seinem Rücken befand. Vor ihm stand der bullige Junge von vorhin, auf dessem Oberarm ein schwatzes Tattoo prangte.

"Verschwinde, das geht dich nichts an." Die offensichtliche Drohung, die der Junge in seine Worte zu legen versuchte, ignorierte Andrej einfach. Stattdessen musste er sich sehr beherrschen, nicht einfach wild um sich zu schlagen.

"Und wie mich das was angeht, wenn irgendwelche Halbstarken versuchen meine Freundin zu..." Er wusste nicht einmal, wie er die Szene, die sich ihm bot, beschrieben sollte​ und deutete stattdessen einfach mit seiner Hand darauf. Das alles sah jedoch schon sehr nach einer versuchten Vergewaltigung aus, weswegen es Andrej nur noch schwerer fiel, diese Jungs nicht einfach zusammenzuschlagen. Selbst mit ihren kleinen Messern hätten sie kaum eine Chance gegen ihn, dessen war sich der Blondhaarige bewusst. Seine Gedanken wurden jedoch etwas abgelenkt, als der Junge vor ihm auf einmal zu lachen begann. Und auch die anderen beiden, die mittlerweile aus ihrem Versteck getreten waren, konnten sich ein Prusten nicht verkneifen. Während der Schwarzhaarige Benja weiterhin fest in seinem Griff hielt und sie dabei mit dem Messer bedrohte, stellte sich der dritte Junge auf Andrejs anderer Seite auf.

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