Samstag, 24. Februar 2018
Bruchstück XX
Tatsächlich schien es Andrejs Schicksal mittlerweile auf ihn abgesehen zu haben. Es verging kein Tag, da holte ihn das nächste unerwartete Ereignis aus seinem Alltag. Der Alltag, in den er nicht einmal hatte zurückkehren können. Er war mal wieder im Park unterwegs, um zusammen mit Oskar seinem Sport nachzugehen, da machte ihn sein Kumpel auf etwas aufmerksam.

"Siehst du das da vorne?" Zuerst hielt er die Frage für einen Scherz. Es war bereits dunkel und weit und breit war keine Menschenseele zu sehen. Außerdem stand in der Richtung, in die der Mann deutete, nicht einmal eine Laterne, so dass dort nicht einmal etwas zu sehen war. Dennoch suchten Andrejs Augen die Dunkelheit für einen kurzen Moment ab, was ihn erschrocken feststellen ließ, dass dort tatsächlich etwas sehen zu war. Etwas, das man in Dunkelheit eben sehr gut sehen konnte, Licht. Sicher nichts ungewöhnliches, doch es war weder Licht das dort hingehörte, noch war es eine konstante Lichtquelle. Viel mehr war es ein scheinbar wahlloses aufleuchten einer Taschenlampe.

"Vielleicht geht da einfach jemand spazieren", entgegnete Andrej.

"Abseits des Weges?" Oskar klang mehr als ungläubig, was wohl hauptsächlich an der seltsamen Taschenlampe lag. Es war kein einfach hin und her schwenken, sondern sie wurde tatsächlich immer wieder ausgeschaltet. Diesen Fakt überging Andrej jedoch einfach.

"Vielleicht ist sein Hund weggelaufen und er sucht ihn. Was weiß ich?" Das letzte Mal, als er bei so einer Sache auf den Brünetten gehört hatte, hatte dieser ganze Mist erst angefangen. Schweigend liefen sie ein Stück weiter, ohne ihre Blicke von dem Licht zu wenden. Auf einmal fing Oskar an, vor sich hinzumurmeln.

"Lang, lang, kurz, kurz, kurz. Pause."

"Was machst du da?" Andrej fühlte sich auf einmal etwas unwohl neben dem Mann, der die ganze Situation noch unheimlicher machte.

"Das sind Morsezeichen."

"Und?"

"Dreimal kurz, dreimal lang, dreimal kurz", antwortete er, als würde es alles erklären. Andrej musste nicht lange überlegen, um zu verstehen, was das bedeutete.

"Und du willst hingehen und schauen?"

"Du etwa nicht?" Geradezu entsetzt schaute er den Blonden an.

"Das sind sicher nur einige Jugendliche, die uns verarschen wollen. Warum sonst sollte das jemand hier im Park machen, anstatt einfach zu ihnen zu gehen, oder um Hilfe zu rufen? Ganz sicher steigerte sich der Mann nur wieder in etwas rein. Und am Ende würden sie einem gruseligen Reiter auf einem Pferd begleitet von einem Wolf über den Weg laufen.

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Montag, 19. Februar 2018
Bruchstück XIX
Danach wurden sie tatsächlich nach Hause gefahren. Beziehungsweise wurden sie zu Benja nach Hause gefahren, wo Andrej ebenfalls ausstieg. Er wollte diesen schrecklichen Abend noch nicht enden lassen. Wohl hauptsächlich in der Hoffnung, dass er vielleicht doch noch etwas besser wurde. Außerdem wollte er ihr aus irgendeinem Grund mitteilen, was er eben in der Akte gelesen hatte.

"Das war vielleicht was, oder?" Kaum hatte sie ihren Haustürschlüssel herausgekramt, machte sich Benja ans Öffnen der Haustür, was wohl bedeutete, dass er mit reinkommen durfte.

"Aber echt. In letzter Zeit passieren ständig solche Sachen." Erst war da dieser seltsame Reiter gewesen, dann hatte er Benja kennen gelernt, die am selben Abend noch dieses unheimliche Päckchen bekommen hatte. Schließlich war er dem Reiter noch mal über den Weg gelaufen, der sich dann aber lediglich als Puppe herausgestellt hatte und nun diese seltsame Frau. So oft wie in diesem Monat war Andrej noch nie bei der Polizei gewesen, schon gar nicht als Verdächtiger.

"Komm doch mit rein, ich mach uns schnell eine Kleinigkeit." Benja lächelte ihn leicht an, was den Mann nicht widersprechen ließ. Zögerlich folgte er der jungen Frau durch die Tür.

"Und deine Eltern?" Kaum stand er in dem Flur, hatte er seine Stimme gesenkt.

"Ach, die kommen in der Woche wenn sehr spät nach Hause." Andrej zog eine Augenbraue hoch. Er wusste nicht genau, wie spät es war, aber sicherlich schon spät genug, um nicht mehr arbeiten zu müssen. Und so wie sie das sagte, schienen sie manchmal gar nicht erst heimzukommen. Unglücklich schien dies das Mädchen nicht zu machen. Sie war ja auch alt genug. Den jungen Mann entspannten diese Worte allerdings merkbar.

Während Benja in die Küche verschwand um etwas Essbares aufzutreiben, sollte er in ihrem Zimmer warten. Als sie nach einer gefühlten Ewigkeit noch immer nicht zu ihm gekommen war, entschied sich Andrej, sich etwas umzuschauen. Auch wenn er nicht die Absicht hatte in Benjas Privatsphäre herumzuschnüffeln, so tat er es doch irgendwie. Eigentlich hatte er sich nur noch einmal das Päckchen anschauen wollen, das auf dem Schreibtisch des Mädchens stand, um nach Indizien zu suchen. Doch das Päckchen war leer. Obwohl es ihn nicht wundern, er es sogar verstehen würde, hätte sie die Sachen einfach weggeschmissen, so konnte er es doch irgendwie nicht glauben. Immerhin stand das Päckchen auch noch hier. Sein erster Blick ging in die Schublade des Tisches, die er vorsichtig aufzog. Von dem Brief war dort jedoch auch nichts zu sehen. Danach schaute er durch die Regale in dem Zimmer und in die Schubladen der Kommoden. Mittlerweile wohl eher aus Neugierde und weil ihm langweilig war. Sonderlich wohl fühlte er sich dabei jedoch nicht. So entschied er sich, es zu lassen, nachdem er eine kleinen Karton öffnete. Da auch dort auf den ersten Blick kein Brief zu sehen war, wollte er ihn wieder schließen, als er jedoch ein Foto bemerkte. Kurz zögerte er, legte den Deckel dann aber wieder zur Seite und nahm das Bild in die Hand. Darauf war eine kleine Familie zu sehen. Zwei Eltern und ihr Kind. Und obwohl dieses Kind ihn stark an Benja erinnerte, so war es doch eindeutig ein Junge. Darauf deuteten nicht nur die Kleidung und die Frisur hin. Ehe er sich das Bild genauer anschauen konnte, zuckte Andrej stark zusammen, als auf einmal eine Tür zuschlug. Sofort ließ er das Bild zurück in den Karton fallen und schloss ihn gerade noch rechtzeitig, ehe sich Benjas Zimmertür öffnete.

"Huch, was machst du denn da?" Benja schaute ihn fragend aber keineswegs misstrauisch an, als sie Andrej so verloren in ihrem Zimmer stehen sah. Anscheinend hatte sie damit gerechnet, dass er auf ihrem Bett sitzen würde.

"Ach, es hat so lange gedauert. Da hab ich..." Auch wenn Benja es mit Sicherheit nicht hören konnte, so schlug sein Herz ihm gerade bis zum Hals, so dass er seine eigenen Worte kaum verstehen konnte.

"Dir deine Beine vertreten?" Benja kicherte bei ihren eigenen Worten und stellte dann das Tablett in ihren Händen auf dem Tisch ab, womit sie das Thema auch schon änderte. "Ich hoffe der Abend war nicht allzu schrecklich für dich."

"Ach was", entgegnete er und trat zu ihr. Auf dem Tablett lagen zwei großzügige Sandwiches und etwas Obst. Und obwohl Andrej wirklich Hunger hatte, wartete er, bis Benja sich eines der belegten Brote nahm. "Ist zwar doof gelaufen, aber mir ist eben noch was aufgefallen." Sofort hatte er Benjas Aufmerksamkeit. "In den Akten über diese Frau von heute stand etwas von dem dunklen Reiter."

"Du hast dir die durchgelesen?" Mit dieser geschockten Reaktion hatte der junge Mann nicht gerechnet, weshalb er kurz mit den Schultern zuckte. Daraufhin musste Benja kurz grinsen, ehe sie zum eigentlichen Thema zurückkehrte. "Was meinst du bedeutet das?"

"Keine Ahnung. Aber irgendwie werde ich das Gefühl nicht mehr los, dass eine Verbindung zwischen diesen Sachen besteht. Warum sonst sollten sie hinter ihr her sein?"

"Stimmt schon." Kurz setzte die junge Frau ein grübelndes Gesicht auf, schien jedoch zu keinem Ergebnis zu kommen. "Aber es ist auch nicht unsere Angelegenheit." Damit hatte das sie zwar Recht, trotzdem ließ Andrej das ganze keine Ruhe. Vor allem, weil er die Aktion mit dem Pferd mittlerweile persönlich nahm. Dass er der Sache nachgehen wollte, erwähnte er an dieser Stelle lieber nicht.

Während sie aßen, kehrte Stille ein. Da der bisherige Abend nicht sonderlich toll gelaufen war, wollte er Benja nun nicht auch noch auf das Päckchen oder das gefundene Foto ansprechen. Damit würde er noch bis zu ihrem nächsten Wiedersehen warten.

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Sonntag, 18. Februar 2018
Bruchstück XVIII
Der Mann antwortete nicht auf seine Frage, was Andrej wirklich sauer machte.

"Hallo? Wir haben nichts gemacht. Was soll das alles?" Auch auf die Gefahr hin, dass er sich noch einmal eine einfing, aber so ließ er sich ganz bestimmt nicht grundlos behandeln.

"Das könnt ihr alles auf dem Revier erzählen." Mit dieser Antwort gab sich der Mann nicht zufrieden. Weiter konnte er sich jedoch nicht beschweren, da in diesem Moment einer der beiden Polizisten zurück kam und sie ins Polizeiauto geführt wurden. Während der Fahrt tauschten die zwei Gefangenen immer mal wieder Blicke aus, ohne etwas zu sagen. Erst in der Polizeistation wurde das Schweigen wieder gebrochen, als sie in einen Raum gesetzt wurden, den nach kurzem Warten ein Andrej bekanntes Gesicht betrat.

"Binoth." Der Name des Polizisten war mehr eine tonlose Feststellung, die nichts besonderes aussagte.

"Oh, kennen wir uns?" Der Brünette setzte sich ihnen gegenüber auf den Stuhl und legte dann einige Dokumente vor sich auf den Tisch.

"Ja? Ich war vor ein paar Tagen mit dem Pferd hier." Hatte er das ernsthaft vergessen? Bei seinen Worten bemerkte er im Augenwinkel einen irritieren Blick seitens Benja.

"Wirklich?" Verdutzt, als hätte er ihm gerade ein Märchen erzählt, schaute der Polizist ihn an. Auf einmal änderte sich jedoch sein Gesichtsausdruck, als hätte er eine Erkenntnis gehabt. "Ach, das war dieser Abend..." Es war nicht die Antwort, mit der Andrej gerechnet hatte. Doch auch Benja schaute den Brünetten nun fragend ob seiner Worte an. "Vergessen wir das einfach. Wie ich den Unterlagen entnehme, wurdet ihr zusammen mit einer Johanna Olges gesehen."

"Deswegen wurden wir festgenommen", stimmte Benja sofort verärgert zu, obwohl der Name der Frau bei ihnen Hanna gewesen war. Natürlich konnte das auch nur ein Spitzname gewesen sein.

"Genau. Das tut uns furchtbar leid, aber wir können uns bei ihr keine Unachtsamkeiten erlauben."

"Warum das? Was ist mit dieser Frau?" Unnachgiebig durchbohrte die junge Frau Binoth geradezu. Das waren allerdings Fragen, die Andrej genauso interessierten. Was war an dieser Frau, die Esswettbewerbe in einem kleinen Imbiss gewann, so gefährlich, dass die Polizei derart gegen sie vorging.

"Das ist Teil der Ermittlung und darf deswegen nicht an Außenstehende weitergegeben werden."

"Außenstehende?" Nun war es Andrej, der den Mann verärgert anschaute. "Ich wurde getasert, weil wir zufällig bei dieser Frau standen. Vor einem Imbiss wohlgemerkt, wo eine ganze Menge Leute unterwegs waren. Wenn man keine Zivilisten einbinden will, dann sollte man diese vielleicht nicht angreifen." Mittlerweile hatte sein Schmerz zwar nachgelassen, dafür war Andrej aber umso gereizter.

"Das tut mir wirklich leid für Sie." Binoth schaute ihm geradewegs in die Augen, was für den jungen Mann so unerwartet kam, dass er nicht weiter sprach sondern einfach nur die Arme vor der Brust verschränkte. "Sie beide haben also nichts mit dieser Frau zu tun?"

"Sie hat uns angesprochen, weil wir über den Wettbewerb gesprochen haben", erklärte Benja kopfschüttelnd.

"Welcher Wettbewerb?"

"In dem Imbiss war ein Wettessen, den sie gewonnen hat." Dieser Fakt ließ Binoth kurz blinzeln, ehe er etwas auf den Zettel vor sich kritzelte.

"Und Sie haben sie vorher noch nie gesehen?" Dieses mal schüttelten sie beide als Antwort mit dem Kopf. "Warum waren Sie in dem Lokal?"

"Was sind das für Fragen?", beschwerte sich Andrej. "Wir wollten eben ausgehen, in der Stadt etwas den Kopf freibekommen. Wir sind da nur zufällig vorbeigekommen und haben uns das dann angeschaut." Wieder notierte er etwas und ließ dann seinen Stift fallen.

"Okay, das wars dann erst einmal."

"Und jetzt?" Andrej war sich nicht sicher, ob sie tatsächlich schon gehen durften.

"Wir werden noch Ihre Daten aufnehmen, dann können Sie gehen. Wenn etwas ist, dann melden wir uns bei Ihnen."

"Und Sie fahren uns zurück?" Benja klang geradezu trotzig, was nun auch den Polizist überrascht aufschauen ließ. "Sie haben uns ein ganzes Stück mitgenommen und es ist schon ziemlich spät. Oder wollen sie eine junge Frau nachts alleine durch die Stadt laufen lassen?" Bei ihren Worten musste sich Andrej ein amüsiertes Grinsen verkneifen.

"Na gut, ich werde den Kollegen bescheid sagen." Mit diesen Worten stand er hektisch auf, wobei er mit einer ungeschickten Bewegung den Zettelstapel von dem Tisch fegte. Die einzelnen Blätter verteilten sich über den Boden und sorgten für ein ordentliches Chaos. "Super", murmelte Binoth zu sich selbst und ging in die Hocke, um die Unterlagen wieder aufzusammeln. Da Andrej wenig Lust hatte länger als nötig hier zu verbringen, half er dem Polizisten. Dabei konnte er einen kurzen Blick in die Akte erhaschen, wo ihn die Worte 'Schwarzer Reiter' geradezu ansprangen. Da es in dieser Akte jedoch um diese Hanna ging, hatte er eins und eins schnell zusammen gezählt.

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Mittwoch, 14. Februar 2018
Bruchstück XVII
Die nächtliche Luft war angenehm kühl und Andrej atmete erst einmal tief durch.

"Schaust du dir so etwas öfter an?", wandte er sich sogleich an Benja, die neben ihm stehen geblieben war.

"Nein, eigentlich nicht. Aber war doch ganz lustig, oder? Hättest du gedacht, dass die Frau gewinnt?" Auf ihre Frage zuckte der Mann mit den Schultern.

"Eher nicht." Eigentlich hatte er sich gar keine Gedanken darum gemacht, wer gewinnt und wer nicht. Aber vermutlich hätte er nicht einmal damit gerechnet, dass sie gewinnt, wenn ihre Siegesreihe vorher angekündigt worden wäre.

"Redet ihr über mich?" Die plötzliche Stimme hinter ihnen ließ die beide zusammenzucken. Als sie sich umdrehten stand die Gewinnerin, Hanna hinter ihnen. Sie hatte ihre Arme in die Seite gestemmt und musterte die beiden, als hätten sie ihr etwas getan.

"Darüber, dass dein Auftritt wirklich beeindruckend war", stimmte Benja nickend zu.

"Danke, das höre ich öfter." Die Frau schien sich wirklich selbst zu gefallen. "Seit ihr das erste Mal hier? Euch habe ich vorher noch nicht gesehen."

"Genau. Wir sind nur zufällig vorbeigekommen." Benja schien es wirklich zu gefallen, sich mit dieser Hanna zu unterhalten. Andrej stand währenddessen schweigend daneben und musterte die Frau. Irgendetwas an ihr gefiel ihr so gar nicht. Doch ehe jemand reagieren konnte, war auf einmal Geschrei zu hören.

"Auf den Boden!" Ohne es zu merken hatten drei Polizisten, die nicht sonderlich freundlich aussahen, sie eingekreist. Während Benja dem Befehl Folge leistete, schaute Andrej die Männer verständnislos an. Immerhin hatten sie nichts verbotenes gemacht.

"Was ist denn lo-" Noch bevor er seine Frage zu Ende ausgesprochen hatte, schoss der Polizist vor ihm mit einem kleinen Gerät auf ihn. Sofort ging ein starker Schmerz von der Stelle aus, die nun mit zwei Drähten mit der Waffe verbunden war. Der Körper des Blondhaarigen verkrampfte so stark, dass er sogleich zu Boden fiel.

"Stopp! Hört auf! Was soll das?" Benja, die noch nicht ganz am Boden lag versuchte irgendwie die Polizisten von ihrem Handeln abzuhalten. Tatsächlich stoppte der Schmerz im nächsten Augenblick, was jedoch nicht an dem Einsatz der jungen Frau, sondern viel eher daran lag, dass Hanna das Durcheinander nutzt um mit einem schnellen Sprint Reißaus zu nehmen. Wäre Andrej nicht so sehr mit seinen Schmerzen, die er noch immer spüren konnte, beschäftigt gewesen, hätte er über die Schnelligkeit der gewichtigen Frau gestaunt. Während zwei der Polizisten hinter ihr herstürmten, blieb einer bei den beiden.

"Schön liegen bleiben", wies er Benja an, als diese sich wieder aufrichten wollte. Die Menschen um sie herum waren mittlerweile ein ganzes Stück zurückgewischen und schauten unter lautem Murmeln bei dem Geschehen zu.

"Was haben wir denn gemacht?", verlangte Andrej zu wissen, als er sich wieder einigermaßen von dem Taser erholt hatte. Er war sich beim besten Willen keiner Schuld bewusst. Und selbst wenn sie hinter Hanna her waren, war das wohl noch lange kein Grund auch sie so zu behandeln, nur weil sie zufällig bei ihr gestanden hatten.

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Sonntag, 4. Februar 2018
Bruchstück XVI
Der Polizist hatte ihn tatsächlich in einen kleinen Raum gebracht, wo sich Andrej wie in einem Verhör fühlte. Dabei hatte er nicht mal etwas angestellt.

"Also, wo genau haben Sie das Pferd gefunden?" Der Brünette hatte ihm gegenüber Platz genommen und schaute ihn über den Tisch hinweg an.

"In der xx Street. Da ist er wieder rumgeritten und wollte mich scheinbar ängstigen."

"Er?" Der Mann, der sich einige Notizen gemacht hatte, schaute nun wieder fragend auf.

"Ja, der Reiter. Ich wusste ja nicht, dass es nur eine Puppe ist."

"Okay, wie haben Sie das dann gemerkt?"

"Ich wollte nicht schon wieder weglaufen, immerhin war es nur ein Mann auf einem Pferd, dachte ich. Also bin ich auf ihn zugegangen und habe dann bemerkt, dass es nur eine Puppe ist." Andrej hoffte, dass er damit seine Aussage hinter sich gebracht hatte und wieder nach Hause gehen konnte. Selbst mit Oskar hatte er nicht so viel erzählen müssen.

"Und ist Ihnen sonst noch etwas ungewöhnliches aufgefallen?" Ob dieser Frage schüttelte der Blondhaarige erst leicht mit dem Kopf, was den Polizisten einen kurzen Blick in seine Unterlagen werfen ließ. "Keine Kälte oder ein überaus großer... Hund?" Seine goldenen Augen richteten sich eindringlich auf Andrej, was ihn seine Antwort überdenken ließ.

"Ja doch, der Hund war da. Aber er ist weggelaufen, nachdem ich das Pferd hierher geführt habe."

"Und er hat Ihnen nichts gemacht?" Anscheinend zweifelte der Mann seine Aussage an.

"Er wirkte sehr gut Erzogen. Ich denke er wurde abgerichtet sich sehr bedrohlich zu verhalten, dabei ist er eigentlich sehr lieb." Er machte eine kurze Pause, ehe er weitersprach. "Für mich sieht das alles nach einem üblen Scherz aus." Und um den Schuldigen zu finden mussten sie eigentlich nur Ausschau nach dem Hund halten.

"In der Tat." Der Mann klappte seinen Unterlagen zusammen und schaute dann Andrej direkt an. "Wir werden uns die Straße mal anschauen." Dem Blondhaarigen war dies ziemlich egal, zumal er sowieso nicht glaubte, dass sie dort jetzt noch jemanden finden würden.

"Wie hießen sie noch gleich", fragte er nach, ehe er aufstand. Jetzt war er schon so lange hier gewesen, da wollte er auch wissen, mit wem er gesprochen hatte.

"Binoth." Die Frage nach seinem Namen brachte den Mann jedoch nicht aus dem Konzept. "Wir werden das Pferd solange in Gewahrsam nehmen." Andrej nickte nur und stand dann auf. Wie es aussah, war er hier endlich fertig. Dieser Binoth brachte ihn noch bis zur Tür. Der junge Mann war froh, endlich von dem Polizisten wegzukommen. Er war wirklich eigenartig gewesen.

In den nächsten Tagen hörte Andrej nichts mehr von irgendwelchen Vorfällen, obwohl er dieses Mal etwas aufmerksamer gewesen war. Nun, da er so sehr darin verwickelt geworden war, interessierte es ihn schon, wie das alles ausging und vor allem, wer dahinter steckte. Dabei vergaß er beinahe ein anderes, eigentlich viel wichtigeres Problem. Es dauerte zwei Tage, ehe sein Telefon klingelte. Es war bereits spät abends, so dass er sich wirklich fragte, wer da anrief. Die Nummer kannte er nicht.

"Andrej Neuss?"

"Andrej. Kannst du vorbei kommen?" Es dauerte einige Augenblicke, ehe er die Stimme am anderen Ende zuordnen konnte.

"Benja?" Über die ganze Aufregung mit dem schwarzen Reiter hatte er es tatsächlich geschafft, das Mädchen zu vergessen. Umso schlechter fühlte er sich nun. "Bist du zu Hause?", fragte er sogleich weiter, was bejaht wurde. Ohne noch groß zu zögern machte er sich auf den Weg zu Benja. Dass er morgen früh raus musste, spielte dabei keine Rolle. Immerhin hatte er ihr die Nummer für Notfälle gegeben. Es dauerte etwas länger als erwartet, ehe er bei der jungen Frau vor der Tür stand. Unterwegs hatte er sich nicht nur einmal verlaufen. Er musste nicht einmal klingeln, da wurde ihm bereits die Tür geöffnet.

"Danke, dass du gekommen bist." Sie lächelte ihn unsicher an, während sie ihre Haare nach hinten strich. Ihrer Kleidung nach zu urteilen wollte sie ihn nicht nach drinnen einladen.

"Klar doch. Was hast du vor?" Dabei deutete er auf ihre Schuhe und die Jacke.

"Ich dachte wir könnten etwas in die Stadt gehen?" Über diese Frage zog der Mann eine Augenbraue in die Höhe. In der Stadt hatten höchstens noch Clubs und Restaurants offen. Lud sie ihn gerade etwa indirekt zu einem Date ein? Nicht dass Andrej etwas dagegen hätte. Es überraschte ihn einfach.

"Na gut." Gemeinsam machten sie sich auf den Weg in die Innenstadt, wobei sie schweigend nebeneinander hergingen. Andrej wollte sie fragen, was aus der Sache mit dem Päckchen geworden war, allerdings wollte er die lockere Stimmung nicht zerstören. Erst als sie die Innenstadt erreicht hatten, wagte der Mann es, eine Frage zu stellen. "Wie geht es dir denn?" Eine höfliche Frage, die nicht allzu direkt war.

"Och, es geht so. Die letzten Tage ist es nur ziemlich langweilig."

"Was ist denn mit Schule?" Zumindest er hatte dort immer gut Spaß gehabt.

"Dort wäre es noch langweiliger als zuhause. Ich geh momentan nicht dahin." Irritiert schaute er die junge Frau an, hakte aber nicht weiter nach. Trotzdem wartete er kurz, ob Benja nicht von sich aus weitersprechen wollte. Dies tat sie jedoch nicht.

"Und warum hast du mich angerufen?" Diese Frage war schon etwas gewagter, trotzdem antwortete sie ihm ohne zu zögern.

"Der Abend mit dir war so toll. Ich wollte dich einfach wieder sehen." Die Tatsache, dass Benja ihn dabei direkt anschaute, ließ Andrej etwas verlegen werden. Das Mädchen fand doch nicht etwa wirklich derart Gefallen an ihm?

"Okay." Viel mehr wusste der Mann dazu nicht zu sagen. Und anscheinend hatte sich für Benja auch die Sache mit dem Päckchen erledigt. Das konnte er zwar nicht ganz glauben, immerhin hatte sie sogar die Stadt deswegen verlassen wollen. Aber wenn sie nicht darüber sprechen wollte, dann würde er auch nicht nachfragen.

Benja schien kein bestimmtes Ziel zu haben. Sie flanierten eine Weile durch die Innenstadt, wo trotz der späten Stunde noch einiges los war. Sie schauten beim Vorbeigehen auch in einige der geöffneten Lokale, doch blieben bei keinem einzigen stehen. Erst als sie an einem scheinbar gut gefüllten Imbiss vorbeikamen, blieb das Mädchen plötzlich stehen.

"Lass uns hier reingehen", schlug sie vor, was Andrej so gar nicht nachvollziehen konnte. Während Benja schon vorging, warf der Blondhaarige einen schnellen Blick auf die Tafel, die vor dem Gebäude aufgestellt worden war. Darauf stand: '56. Wettessen!' Irritiert, was das Mädchen dort wollte, folgte sie ihm. So klein der Imbiss von außen auch aussah, es passten verdammt viele Leute rein. Was nicht bedeutete, dass es hier drinnen viel Platz gab. Ganz im Gegenteil.

"Was willst du hier?" Fragte Andrej leise nach, als er Benja eingeholt hatte.

"Was wohl? Ein Wettessen ist doch immer toll."

"Willst du etwa mitmachen?" Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was toll dabei sein sollte, anderen Menschen dabei zuzuschauen, wie sie unnötige Mengen an Essen in sich hineinstopften.

"Oh ja, ganz bestimmt. Mit meiner Größe kann ich nämlich Unmengen an Essen in mich hineinstopfen." Die junge Frau klang nicht verärgert, sondern einfach ironisch. "Soll ich dich noch anmelden?"

"Bloß nicht!" Geradezu erschrocken blickte er sie an, was ein Grinsen auf Benjas Lippen zauberte. "Willst du da echt zuschauen?"

"Ja klar. Komm schon." Sie schnappte sich Andrejs Arm, um den Mann hinter sich herziehen zu können. Dieser ließ es über sich ergehen. Er würde ihr den Gefallen tun und erst einmal zuschauen. Wenn es ihm zu doof wurde, konnte er ja immer noch gehen.

Es dauerte nicht lange und schon saßen sieben Männer und zwei Frauen an einem langen Tisch, der an einer Wand des Ladens aufgestellt worden war. Sie machten alle den Eindruck, als könnten sie nicht nur sehr viel essen, sondern auch als würden sie dies sehr oft und gerne machen. Die Teller, die vor ihnen standen waren noch leer, als sicj plötzlich ein älterer Mann zu Wort meldete, der scheinbar der Besitzer der Bude war.

"Wie jeden Monat treffen wir uns hier, um den schnellsten Esser zu ermitteln. Dieses Mal geht es ganz klassisch um Burger. Jeder bekommt zehn Stück, wer sie zuerst vertilgt hat, gewinnt." Zehn klang in Andrejs Ohren nicht sonderlich viel, allerdings hatte er auch nicht wirklich Ahnung von Wettessen. Der Laden war ziemlich klein, vermutlich konnte sich der Besitzer nicht in allzu große Unkosten stürzen. Auch wenn der junge Mann anzweifelte, dass er an diesem Abend kaum etwas einnahm. Kurz nach seiner Ankündigung wurden jedem Kandidaten zehn Burger gebracht, die erstaunlich groß waren.

Nach etwas sinnlosen Geplauder begann dann auch schon der Wettbewerb. Erst wusste Andrej nicht, ob er beeindruckt oder angeekelt sein sollte. Die Teilnehmer stopften das Essen geradezu in sich ein und schnell stachen drei der Teilnehmer heraus, die von den Zuschauern geradezu angefeuert wurden. Es waren zwei Männer und eine der beiden Frauen. Nach den ersten Burgern, die relativ schnell wegwaren, zog sich dieses Event dann doch in die Länge. In der nächsten viertel Stunden gaben einige der Kandidaten auf und Andrej konnte es nicht glauben, dass er tatsächlich so lange hier blieb. Immer wieder huschte sein Blick zu Benja neben ihm. Die junge Frau wirkte zumindes abgelenkt, was wohl okay war. Er konnte sich nur allzu gut vorstellen, dass sie lediglich deswegen mit ihm in die Stadt gegangen war, um sich etwas ablenken zu können. Nach wie vor konnte er nicht glauben, dass sich al ihre Sorgen einfach so aufgelöst haten. Also hielt er es ihr zu liebe noch etwas in dem engen Imbiss aus. Noch ehe jemand die zehn Burger geschafft hate, stand der Gewinner bereits fest. Die dickliche Frau mit den dunkelblonden Haaren führte. Und nachdem ihre zwei Rivalen nacheinnder aufgegeben hatten, musste sie lediglich die zwei verbleibenden Burger essen, um wirklich als Siegerin anerkannt zu werden. Andrej hatte nicht damit gerechnet, dass bei all den Männern gerade eine Frau gewann. Doch sie schien ein Profi zu sein, denn auch die letzten zwei Burger verdrückte sie schneller, als Andrej für einen gebraucht hätte.

"Und die Siegerin ist Hanna! Das dreitte Mal in Folge! Auch dieses Mal konnte ihr niemand gefährlich werden." Der Besitzer gratulierte dieser Hanna überschwenglich und überreichte ihr dann den Gewinn in Form eines Gutscheins. Kurz darauf lösten sich die Zuschauer auf. Einige blieben und bestellten sich selbst etwas, die meisten aber verließen den Laden, wozu auch Andrej und Benja gehörten.

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